Er wollte nur eine Fräsmaschine für sein Werk in Langenfeld ersteigern und kam mit einer ganzen Firma zurück: Dass Klopp 2010 das 100-jährige Bestehen feiert, ist Egon Evertz zu verdanken. Der Unternehmer ließ sich 1992 von Insolvenzverwalter Hans-Peter Runkel überzeugen, auch den Firmennamen, die Zeichnungen und das Lager zu kaufen. „Wir haben alles übernommen“, sagt Ralf Evertz, der in der Gruppe für Klopp verantwortlich ist, „vom Know-how bis zu den A-Teilen.“ Auf den schweren Gussteilen ruht noch heute das Renommee des Maschinenbauers.
Ralf Evertz: „Durch die eigene Gießerei in Ohligs war Klopp bei den Großteilen ausreichend bis bestens bevorratet. Sie haben die Gießerei unabhängig von der Nachfrage laufen lassen und alles auf eine Karte gesetzt.“ Alte Klopp-Maschinen haben für die Kunden ein besonderes Gewicht Der neue Besitzer hielt damit einige Asse in der Hand. Denn die gegossenen Großteile, die mehrere Monate bis Jahre liegen müssen, bevor das Material entspannt ist, geben den Fräsmaschinen eine von den Kunden besonders geschätzte Basis. „Es gibt Firmen, die mehr für die Überholung einer alten Klopp- Maschine bezahlen, als eine neue aus Korea kostet“, erklärt Ralf Evertz. „Die Qualität ist weit besser als bei A-Teilen aus Stahl.“ „Wir stellten schnell fest, dass die Firma sehr gute Arbeit geleistet hat“, betont Evertz. „Das war sicherlich absolute Weltspitze im Maschinenbau. Klopp war anfangs ein sehr stabiles Unternehmen mit großen Umsätzen, ist aber zu dem Zeitpunkt in die Baisse gedonnert, als sie gerade auf Modulbauweise umgestellt hatten. Sie haben ihr neues Programm zur falschen Zeit aufgelegt.“ Außerdem habe das Unternehmen den eigenen Vertrieb zu weit zurückgefahren. Evertz baute die Firma dagegen langsam wieder auf. Es begann mit 22 Mitarbeitern, die den Kundendienst aufrecht erhielten. Aus ihnen sind rund 60 geworden. Der reine Instandhaltungsbetrieb nahm als zweites Standbein die Produktion wieder auf, denn auch die Evertz-Gruppe selbst (s. links) ist und war einer der größten Klopp-Kunden.
Bei der Messe Metav in Düsseldorf stellte Klopp im Februar ein neues Fräs- und Bohrwerk vor. Bei Evertz ist man auf mehr als 300 Patente und Schutzrechte stolz: „In einem halben Jahr sind wir so weit, dass wir auch Titan bearbeiten können.“ 2009 war allerdings noch einmal ein hartes Jahr für das Traditionsunternehmen. „Da ging es ums Überleben“, sagt Betriebsleiter Frank Kohnertz, der bereits seit 1980 für Klopp tätig ist. „Die Firmen kauften nicht nur keine neuen Maschinen, sondern sparten selbst am Kundendienst.“ Klopp kam dank Kurzarbeit über die Runden. Inzwischen ist Kohnertz sicher: „Wenn es so weitergeht, sind wir im zweiten und dritten Quartal wieder einigermaßen rund unterwegs. Die Nachfrage ist wieder da.“ Bedarf sieht die Geschäftsführung auch auf einem für Klopp ganz neuen Feld: Bei der Messe in Düsseldorf kündigte die Firma an, künftig auch Schälmaschinen zu bauen. Die Planung und Forschung begann bereits vor zwei Jahren. „Das Know-how ist da; die Zeichnungen liegen hinter zwei dicken Stahltüren“, bestätigt Ralf Evertz. „Wir könnten heute anfangen.“
Die „technologisch anspruchsvolle“ neue Maschine soll Stahlstangen von 8 bis 600 mm Durchmesser „schälen“, also glätten. Derartige Stangen werden beispielsweise für die Fertigung von Wellen benötigt. Abnehmer der Schälmaschine sieht Evertz auf allen Kontinenten – etwa bei großen Stahlwerken in den Vereinigten Staaten und in Europa: „Dem Weltmarkt fehlen diese Maschinen.“ Konkret ist ein von Evertz geführtes Joint-Venture mit einem französischen Unternehmen geplant. In drei Werken soll Stahl geschält und geschliffen werden – auch mit Hilfe von Klopp-Maschinen. Eine rauschende Feier zum 100-jährigen Bestehen wird es trotzdem nicht geben. „2009 war schließlich das schlimmste Jahr“, erläutert Ralf Evertz. „Da ist es nicht angemessen, im großen Stil zu feiern. Unser Dank geht aber an die Belegschaft: Was wir machen, das kann man nur mit guten Mitarbeitern schaffen.“ Klopp werde jedenfalls Bestand haben: „Man kann alles kaufen. Vertrauen nicht.“
Von Wald zum Südpark
Die Werkzeugmaschinenfirma Friedrich Klopp wurde 1910 in Wald gegründet. Sie produzierte zunächst Hobelmaschinen; in den 50er Jahren kamen konventionelle Fräsmaschinen hinzu (gegen 1970 auch NC- und gegen 1980 CNC-Maschinen). Nach der Insolvenz siedelte der neue Inhaber Klopp zunächst an der Prinzenstraße in Ohligs an – auf dem Gelände eines Zweigwerks von Kieserling. Seit 2004 ist die Firma am Birkenweiher ansässig: Im ehemaligen Hauptwerk von Kieserling & Albrecht hat die Evertz-Gruppe ihren Stammsitz. Klopp fertigt Konsolfräsmaschinen, CNC-Produktionsfräsmaschinen in Konsol- und Bettbauweise sowie Fahrständer- Fräsmaschinen. Evertz-Gruppe beschäftigt weltweit 650 Mitarbeiter Die 60 Klopp-Mitarbeiter machen nur rund ein Zehntel der europäischen Belegschaft der Evertz-Firmen aus. Weltweit sind sogar etwa 650 Männer und Frauen für die Gruppe tätig.
Egon Evertz, der vom Netzwerk Industriekultur „eine der faszinierendsten Persönlichkeiten der Solinger Industrie“ genannt wird, siedelte seine Betriebe in der Nähe der Stahlproduzenten an. Die Palette der Angebote reicht vom Anlagenbau über das Schleifen, Schälen, Schneiden und Flämmen bis zur Stranggieß-, Galvano- und Hydrotechnik. Bei Evertz wurde auch der größte Magnet der Welt gebaut (Elektro-Lasthebe-Magneten). Die Firmenphilosophie fasst der Gründer so zusammen: „Kosten senken – Qualität steigern.“ Bei einem Stahlwerk in Middletown (Ohio) wurde die Evertz-Tochter ETS beispielsweise Ende August 2009 ausgezeichnet, weil eine Million Tonnen Edelstahlbrammen ohne eine einzige Beanstandung geschliffen worden waren. Neben dem Gründer führen heute seine Söhne Ralf und Stefan die Geschäfte.
F.L. Melchior
Fotos: Beier
Solinger Tageblatt Sonderbeilage "Wirtschaftsraum Solingen 2010" vom 07.06.2010