Hochdruckschleifen von Halbzeug in der Stahlindustrie

In der Stahlindustrie ist in den vergangenen Jahrzehnten die Stranggießtechnik bei der Erzeugung von Halbzeug so weit fortentwickelt worden, daß heute nahezu alle Stahlsorten im Strang vergossen werden können, und das in vielen für die Weiterverarbeitung notwendigen Querschnitten.

Die ursprüngliche Idee, den Strang nach Teilung in endliche Längen ohne zusätzlichen Aufwand zu walzen, konnte allerdings nicht allgemein verwirklicht werden. Viele Stahlsorten können nach dem Gießen verfahrenstechnisch bedingte Oberflächenfehler aufweisen wie Risse oder sonstige Abweichungen. Das Halbzeug muß in solchen Fällen vor der Weiterverarbeitung kontrolliert und ggf. an der Oberfläche behandelt werden. Die Verbesserung der Oberflächen erfolgt selektiv durch partielle Behandlung , das heißt, nur die mit Fehlern behafteten Oberflächenstellen werden entfernt, oder dadurch, daß die gesamte Oberfläche bearbeitet wird. Hochwertige Endprodukte können nur aus Halbzeug mit ein- wandfreier Beschaffenheit auch der Oberflächen erzeugt werden.

 

Die notwendige Nacharbeit der Oberflächen von Halbzeug erfolgt durch Flämmen oder Hochdruckschleifen. Das Flämmen, die schnellste und billigste Art der Oberflächennachbearbeitung, wird bei den Stählen eingesetzt, bei denen durch die partiell starke Oberflächenerhitzung keine zusätzlichen Fehler entstehen können. Alle anderen Stahlsorten werden durch Hochdruckschleifen der Oberflächen behandelt, unterteilt in solche, die kalt geschliffen werden können und in solche, die legierungsbedingt warm, d.h. zwischen 300 und 500 Grad Celsius geschliffen werden müssen.

 

Selbst das Schleifen bei 700 bis 900 Grad Celsius, kurze Zeit nach dem Gießen, ist möglich, wenn es durch den Materialfluß oder metallurgisch bedingt notwendig ist.Auf dem Markt sind Hochdruckschleifmaschinen unterschiedlicher Konzeption. Die Maschinen unterscheiden sich im wesentlichen dadurch, daß der Hauptvorschub einmal durch das Werkstück, zum anderen durch das Werkzeug ausgeführt wird. Abb. 1 zeigt dies als Prinzipskizze. Wird der Hauptvorschub durch das Werkzeug ausgeführt, ist die Längsausdehnung der Maschine etwa doppelt so groß wie beim Hauptvor- schub durch das Werkzeug. Der Vorteil liegt jedoch darin, daß die Absaugung der Späne stationär erfolgen kann, und die Dämmung des Schleiflärms einfach zu verwirklichen ist. Neben dem Vorteil der geringeren Maschinenlänge bietet die Ausführung mit Vorschub durch das Werkzeug die Möglichkeit die Anlage jederzeit leicht an einen anderen Standort zu verlagern, da sie ohne Fundamente auskommt.

 

Der Schleifwinkel zur Längsachse hat generell einen erheblichen Einfluß auf das Schleifergebnis. Durchgesetzt haben sich der 90 Grad und der 45 Grad Schliff wobei die Tendenz zu letzterem geht. Alle auf dem Markt befindlichen Maschinen werden für beide Winkel angeboten.(Siehe auch Diplomarbeit Ralf Evertz, 1991, Uni Bochum)Bei beiden Winkeln der Schleifriefen sind Fehler in der Oberfläche leicht zu erkennen. Der 45 Grad Schliff bietet jedoch schleiftechnisch und walztechnisch Vorteile. Die schleiftechnischen Vorteile sind in den Abb. 2 und Abb. 3 näher dargestellt. In Abb. 2 ist zu erkennen, daß beim 45 Grad Schliff die Schleifscheibe im Hin- und Rückhub mit einer Fläche im Eingriff ist, die sich aus der Linienberührung der Schleifscheibe und der Schleiftiefe ergibt. Beim 90 Grad Schliff schleift theoretisch beim Hin- und Rückhub nur die jeweils vorne liegende Kante des Schleifsteins. Praktisch gleicht sich der Stein durch Verschleiß an beiden Kanten an, so daß er im Hin- und Rückhub je mit ungefähr der halben Breite arbeitet.

 

Auf der geschliffenen Oberfläche ergibt sich die jeweilige Geometrie, wie in Abb. 3 dargestellt. Es ist zu erkennen, daß pro Hub beim 90 Grad Schliff ein dem Radius der Schleifscheibe entsprechender, kreisförmiger Abschliff, beim 45 Grad Schliff jedoch ein ebener Abschliff entsteht. Der 45 Grad Schliff trägt bei gleicher Inspektionstiefe etwas weniger Material ab und ergibt eine feinere Oberflächenstruktur. Hinzu kommt, daß durch die besseren Eingriffsbedingungen der Schleifscheibe die Geräuschbildung beim Schleifen abnimmt.

 

Der walztechnische Vorteil zeigt sich bei der Betrachtung der Streckung der Schleifriefen durch das Walzen. Abb. 4 läßt dies im Prinzip erkennen. Während beim 90 Grad Schliff die Schleifriefen durch das Walzen parallel auseinandergezogen werden, werden sie beim 45 Grad Schliff in Walzrichtung gestreckt. Dies vermindert die Gefahr, daß beim Walzen von den Schleifriefen Risse ausgehen können.

 

Die Hersteller von Hochdruckschleifmaschinen bieten auf dem Markt Maschinen an, die die oben geschilderten Variationen beim Schleifen je nach Wunsch des Kunden verwirklichen können.

 

Vollautomatische Spezialmaschinen für bestimmte Zwecke so z.B. Maschinen, die gleichzeitig die Breit- und Schmalseiten von Brammen schleifen, sind Standart. Sie sind überwiegend so konzipiert, daß das Werkstück den Hauptvorschub ausführt.

 

Die Maschinen werden von den Herstellern direkt an die Stahlwerke verkauft und von diesen selbst betrieben, oder sie werden von Subunternehmern erworben und von ihnen in den Stahlwerken eingesetzt.

 

Geeignete Schleifscheiben für den Warm- und Kaltschliff sowie für die unterschiedlichen Stahlsorten werden von der Schleifmittelindustrie in großer Auswahl angeboten. Angaben über die Schleifleistung der Steine in Abhängigkeit von den Schleifbedingungen werden ebenfalls von der Schleifmittelindustrie bereitgestellt. Generell kann gesagt werden, daß beim Warmschleifen der Schleifsteinverbrauch höher ist als beim Kaltschleifen und beim 90 Grad Schliff höher als beim 45 Grad Schliff.

 

Die Firma Egon Evertz KG - ein seit 45 Jahren bestehendes Dienstleistungsunternehmen für die Stahlindustrie - ist bei der Maschinen-konzeption und ihrem Einsatz einen anderen Weg gegangen. Dies hat letztlich dazu geführt, daß die Dienstleistung "Hochdruckschleifen durch die Fa. Evertz" für die Stahlwerke wirtschaftlicher ist als das Schleifen in eigener Regie. Evertz hat bereits 1973 die erste Hochdruckschleifmaschine für Halbzeug entwickelt und in Stahlwerken betrieben. Dies bedingte damals schon, daß die Maschinen leicht transportabel und ohne Fundament aufbaubar waren, daß sie universell eingesetzt werden konnten und einfach zu bedienen waren. Man entschloß sich deshalb, den Hauptvorschub durch die Schleifscheibe ausführen zu lassen. Dieses Grundprinzip wurde bei der Weiterentwicklung zu höherer Leistung beibehalten. Auch die heutigen halbautomatisch arbeitenden Maschinen, bei denen eine Mehrmaschinenbedienung möglich ist, sind nach diesem Prinzip gebaut.

 

Das von Anfang an geltende Motto "Keine Maschine wird verkauft, wir bauen sie nur für den Einsatz in der Stahlindustrie unter der Regie der Fa. Evertz" ist auch heute noch gültig. Die Fa. Evertz arbeitet in vielen Stahlwerken der Welt als Dienstleister mit eigenen Maschinen und Einrichtungen.

 

Abb. 5 zeigt eine Hochdruck- schleifmaschine des Typs RSM690/45 . Sie ist einsetzbar für Warm - und Kaltschliff und wird gebaut für 90 Grad und 45- Grad- Schliff. Durch Austausch des Schleifarms kann sie auf die gewünschte Gradzahl umgerüstet werden. Die Leistung des Schleifantriebs beträgt 90 kW, die Vorschübe erfolgen mechanisch, der Anpreßdruck wird hydraulisch gesteuert. Die Schleifhöhe ist über eine Schere hydraulisch einstellbar. Dies ist notwendig , um Breit und Schmalseiten in den anfallenden Höhen schleifen zu können, aber auch um Vormaterial unterschiedlichster Abmessungen auf einer einheitlichen Auflage bearbeiten zu können. Der Schleifarmwinkel zur Horizontalen läßt sich von minus 8 bis plus 8 Grad kontinuierlich verstellen. Damit können Höhenabweichungen der Brammen, Knüppel und Blöcke bis etwa 400 mm aber auch der Schleifsteinabrieb ausgeglichen werden. Die Standard -ausführung ist auf eine Schleifbreite von 2500 mm ausgelegt, die Länge des Vormaterials ist beliebig, da das Schleifaggregat sich auf Schienen bewegt.

 

Die Abtragsleistung beträgt 200 bis 500Kg pro Stunde je nach Schleifbedingungen und geforderter Oberflächengüte. Letztere kann im Normalfall in Abhängigkeit von der Zahl der Überschliffe (1, 2 oder 3) eine Rauhigkeit von 90 bis 200 µm erreichen. Da der Schleifdruck stufenlos feinfühlig einstellbar ist, können Oberflächengüte von 30 µm erreicht werden, wenn dies in Ausnahmefällen notwendig ist.

 

Die Maschine ist mit einer Steuerung ausgerüstet, die es erlaubt , daß vorgegebene Flächen vollautomatisch geschliffen werden können. Eine Mehrmaschinenbedienung zur Einsparung von Bedienungspersonal ist dadurch möglich.

 

Da bei diesen Maschinen die Schleifspäne und der Schleifstaub über die gesamte Arbeitslänge anfallen, ist eine mitfahrende Staubabsauganlage vorgesehen. Die Späne sammeln sich hinter der Maschine in Behältern oder werden durch eine kontinuierlich arbeitende Transporteinrichtung direkt abtransportiert.

 

Für die wirtschaftliche Bearbeitung von Halbzeugoberflächen ist nicht nur die Hochdruckschleifmaschine von Bedeutung, auch das Handling der Brammen, Knüppel und Blöcke spielt eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Schleifmaschinenunabhängige Wendevorrichtungen erleichtern die Handhabung des Halbzeugs. Abb. 6 zeigt eine von der Fa. Evertz entwickelte Brammenwendevorrichtung, Abb. 7 eine Kippvorrichtung zum Schleifen von Brammenschmalseiten. Für Knüppel baut die Fa. Evertz Vereinzel und Wendeeinrichtungen und für Rund-, Mehr- und Vierkant-blöcke die erforderlichen Drehvorrichtungen (siehe auch Diplomarbeit Ralf Evertz).

 

Diese Manipulationseinrichtungen einschließlich des notwendigen Kranes können beim Mehrmaschineneinsatz von jeder Schleifmaschine aus gesteuert werden.

 

Die Kippvorrichtung kann bei größerem Anfall von Brammen, deren Schmalseiten mitgeschliffen werden müssen, auch durch ein zusätzlich an der Schleifmaschine angebrachtes Aggregat ersetzt werden, das die Schleifarbeit an der Schmalseite übernimmt, gleichzeitig mit dem Schleifen der Breitseite.

 

Beim Evertz Hochdruckschleifsystem sind somit alle Voraussetzungen gegeben zum universellen, wirtschaftlichen Einsatz.

 

Die Maschinen und Vorrichtungen sind insbesondere geeignet für das:

- Schleifen von Knüppeln, ganz oder Einzelfehler

- Schleifen von Brammen, ganz oder Einzelfehler

- Entgraten von längsgeteilten Brammen

- Schleifen von Probestrichen

- Schleifen von Rund-, Polygon- oder Vierkantblöcken.

 

Das variable System bietet für jeden Einsatz ein günstiges Verhältnis von Aufwand und Leistung. So ist z. B. ein wirtschaftlicher Einsatz einer einzigen Hochdruckschleifmaschine mit Wende- und Kippvorrichtung schon bei einem Einschichtbetrieb gegeben, wenn Entgratarbeiten durchgeführt werden, Einzelfehler selektiv geschliffen, oder Probestriche erzeugt werden. Abb. 8 zeigt eine solche Anlage zum Entgraten von längsgeteilten Brammen.

 

Andererseits können durch Einsatz mehrerer Maschinen beliebige Mengen Halbzeug wirtschaftlich geschliffen werden. Abb. 9 und Abb. 10 zeigen den Mehrmaschineneinsatz in Stahlwerken.

 

Als Demonstrationsbeispiel soll angenommen werden, daß 500 000 t Brammen pro Jahr mit einer Dicke von 200 mm warm geschliffen werden müssen. Hierzu reichen 6 Evertz Hochdruckschleifmaschinen mit 2 Brammenwendern aus. Die Schleifmaschinen werden in einer Reihe oder zu je 3 parallel aufgestellt. Die Brammenwender werden so angeordnet, daß möglichst geringe Wege für das Be- und Entladen entstehen. Abb. 11 .

 

Die Zuverlässigkeit aller am Schleifprozess beteiligten Anlagen spielt insbesondere beim Warmschleifen eine große Rolle, da beim Ausfall einer Einheit die vorgesehenen Brammen erkalten und neu aufgeheizt werden müssen. Fällt vorübergehend eine der sechs Schleifmaschinen aus, so wird die Gesamtschleifkapazität nur um ein Sechstel reduziert. Dies kann von den anderen fünf Maschinen über einen gewissen Zeitraum kompensiert werden, da die Schleifkapazität der Maschinen mit der geforderten Jahresmenge nicht voll ausgenutzt wird.

 

Fällt einer der Brammenwender aus, so kann der andere dessen Aufgaben mit übernehmen. Die Wendezeiten reichen für mehr als 12 Wendungen pro Stunde aus, es müssen nur etwas weitere Wege für die Hälfte der zu schleifenden Brammen mit dem Kran gefahren werden.

 

Die Wertung des vorübergehenden Ausfalls sieht bei den auf dem Markt befindlichen Spezialhochdruckschleifmaschinen etwas anders aus. Bei diesen Maschinen sind meist die Wendeeinrichtung und die Transporteinrichtung integriert. Aufgrund der höheren Schleifleistung reichen zwei Maschinen für die angegebene Jahresmenge aus. Fällt eine Schleifmaschine oder eins der integrierten Aggregate aus, so ist die Schleifleistung um 50 % reduziert - mit allen Konsequenzen.

 

Wie gezeigt werden konnte haben beide Hochdruckschleifmaschinentypen, die Spezialmaschine und die Universalmaschine, Vor- und Nachteile. Beide arbeiten beim Schleifen von großen Mengen Halbzeug wirtschaftlich. Eine Spezialmaschine bringt etwa die Schleifleistung von drei Universalmaschinen. Die Abschreibungskosten für Anschaffung und Installation von 3 Universalmaschinen mit Manipulationseinrichtungen sind geringer als die bei einer Spezialmaschine mit integrierter Transport- und Wendeeinrichtung. Die Universalmaschinen sind generell dazu geeignet die Halbzeugschleiferei von der Nutzung nur einer Maschine her aufzubauen und in Stufen zu erweitern. Dies ist in den Fällen von Vorteil, wo zunächst einmal mit dem Oberflächenschleifen von Vormaterial experimentiert werden soll. Die Fa. Evertz stellt dabei auch, sollten Probleme auftauchen, ihr in langen Jahren erworbenes Know-how zur Verfügung. Das Prinzip der Fa. Evertz, daß Bau und Betrieb der Maschinen in einer Hand bleiben, hat dazu geführt, daß maschinen- und schleiftechnische Erfahrungen über viele Jahre gesammelt, kombiniert und ausgewertet werden konnten.

 

Auf ein anderes Problem beim Hochdruckschleifen sei noch kurz hingewiesen. Wenn bei einer Bramme von 20t Gewicht nur 2 % abgeschliffen werden, fallen bereits 0,4 t Späne an. Sie werden von den Stahlwerken wieder eingesetzt. Die Schwierigkeiten beim Einsatz loser Schleifspäne sind jedem Stahlwerker bekannt. Neuerdings bietet die Fa. Evertz das Brikettieren von Schleifstaub mit Spezialmaschinen als Dienstleistung an. Unter hohem Druck werden die Schleifspäne ohne Zusatzstoffe zu Billets verpresst, die eine hohe Zerfallsfestigkeit aufweisen und ohne Schwierigkeiten wieder eingesetzt werden können. Abb. 12

 

Die Abb. 13 und Abb. 14 zeigen in Nahaufnahmen Oberflächen von Halbzeug, das mit Evertz-Hochdruckschleifmaschinen geschliffen wurde.

 

Zum Schluß sei noch darauf hingewiesen, daß die Firma Evertz neben anderen Aktivitäten auch Flämmanlagen zur Bearbeitung von Halbzeugoberflächen sowie Brennmaschinen zum Längs- und Querteilen von Brammen baut und betreibt.

 

Steel-Times International September 2002

(Die deutsche Originalversion weist Erweiterungen / Unterschiede zu der publizierten englischen Version, in Text sowie Abbildungen auf!)

von Prof. Dr.-Ing. Rolf Seybold (Mitglied des Beirats der Egon Evertz KG / GmbH & Co.)

Fotos: Evertz-Group Werksaufnahmen