Orgeleinweihung in der Fabrikhalle

"Diese Halle könnte zum Pilgerziel für Orgel-Studenten werden." Das Urteil kommt aus berufenem Mund: Adolf Fichter ist virtuoser Organist und Experte. Gestern Abend war er zu einem Gastspiel in Solingen. Familie Evertz bat zum Hauskonzert anläßlich der Einweihung der Orgel: in Halle 11 der Egon Evertz KG am Birkenweiher.

Dem Organisten zur Seite: Hausherr und Gastgeber Egon Evertz, passionierter Geiger.

Stahlgeige wurde von Solinger Designer gebaut.

 

Evertz stellt Produkte für die Hüttenindustrie her. Was, das ist in Halle 11 zu besichtigen - wenn sie nicht als Konzertsaal dient. Dann müssen die stählernen Kolosse weichen. Gestern blieb nur eine 20-Tonnen-Brammen-Wendeeinrichtung zurück.

 

Wie kommen zwei Orgeln in die Fabrik-Ausstellungshalle? Nicht nach dem Motto: "Man gönnt sich ja sonst nichts!" Egon Evertz, der 64-jährige erfolgreiche Geschäftsmann, ist der Musik verfallen. "Vernünftige Musik", sagt er und meint damit alles, was den Menschen erbaut oder gut unterhält, nur kein "Ratatatata". Für "heavy metal" würde er nie zu einer seiner exquisiten Violinen greifen - obwohl das gar nicht so abwegig wäre: Eins der Instrumente ist aus schwerem Metall - eine Stahlgeige, die durch Tonabnehmer im Prinzip wie eine E-Gitarre funktioniert. Evertz wollte Musik, Stahl und Elektronik zusammenführen. Umgesetzt hat den Wunsch der Solinger Maler, Designer und Gürtler-Meister Sascha Reichert.

 

Mit ihr, der Stahlgeige, hat Evertz (64), der vor sieben Jahren sein im Alter von 14 Jahren abgebrochenes Geigenstudium wieder aufgenommen hat, schon reichlich Furore gemacht: Beim Eisenhüttentag im Kongreßzentrum in Düsseldorf spielte er als musikalische Einlage Brahms vor 2000 Zuhörern, darunter kein Geringerer als Bundespräsident Rau. Darauf folgte ein ganzes Konzert im Christuspavillon auf der Expo in Hannover.

 

Wollte sich der frühere Rennfahrer und Pilot, der trotz dieser Neigungen ein kleines Firmenimperium schuf, in dem rund 750 Menschen Arbeit haben - am Birkenweiher sind es 69 - in seiner Halle 11 nur ein eigenes Podium für seine Musik schaffen? Nein. Mensch - Arbeit - Industrie gehören für ihn zusammen. Er spielt Geige auch vor seinen Stahlarbeitern und im Lohnbüro. Musik in der Fabrikhalle ist für ihn "Werbung für den Stahl".

 

Orgel und Geige: Fasziniert vom Zusammenklang spielte Evertz zusammen mit dem Organisten Sebastian Weyerer in Solinger Kirchen und gab davon eine CD heraus. Und dann spielten Glück und Zufall eine Rolle: Auf einer Auktion ersteigerte Evertz eine Strebel-Orgel von 1886. Sie steht jetzt in Halle 11 unweit der Kleuker-Orgel, ein inzwischen restauriertes Instrument mit 26 Registern, das aus der Schwerter Kirche St. Marien stammt und 1975 erbaut wurde.

 

Unter den Händen von Adolf Fichter erklang sie gestern Abend mächtig und voluminös, erfüllte mit Werken von Bach, Stanley, Händel, Rheinberger und Fauré den letzten Winkel der Halle, der man so viel Akustik nicht von vornherein zugetraut hätte, schon gar nicht, wie auch die leisen, sanften und getragenen Töne darin schwingen.

 

"Fichter meinte, nur Orgel - das hätten die Leute nicht so gerne." So ist es gekommen, daß auch er auftrat, erklärte Evertz, der für sein Spiel auf der Stahlgeige wie der Organist viel Beifall erhielt.
 
   
Solinger Tageblatt vom 11. Juni 2001

Monika Krebs
Foto:Christian Beier

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