Sonnenschein im Stahlgeschäft

VDI nachrichten, 17.11.2000 - "Viel Licht - kaum Schatten" sieht Prof.Dieter Ameling in der deutschen Stahlindustrie. Zur Tagung Stahl 2000 am 16./17. November in Düsseldorf erläutert der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und Vorsitzender des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) High-Lights der Branche.

Weltweit wird in diesem Jahr mit einer Produktion von 850 Mio. t Rohstahl eine neue Rekordmarke aufgestellt. Auch in Deutschland werden mit 46.5 Mio. t rund 10 % mehr als im Vorjahr erschmolzen und ein Höchststand seit der Wiedervereinigung erreicht. Alle Stahlunternehmen werden erhebliche Ergebnisverbesserungen aufweisen, da sich die Stahlpreise deutlich erholt haben.

 

Aber wo so viel Licht scheint, gibt es immer auch Schatten: Der hohe Dollarkurs wirkt sich negativ auf die Kosten aus. Da die wesentlichen Rohstoffe wie Erz und Kohle importiert und in Dollar abgerechnet werden, sind die Kosten erheblich gestiegen. Der Preisanstieg und die Aufwertung des Dollars haben die Stahlkosten um 80 bis100 DM/t erhöht. Da aber die Preiserhöhungen über der Kostensteigerung liegen, werden alle deutschen Stahlunternehmen in diesem Jahr ein ordentliches Plus in ihrer Bilanz verzeichnen können.
 
Der Stahlverbrauch wird sich in in diesem Jahr um 4 % erhöhen, im nächsten Jahr sind es vorraussichtlich weitere 2,5 %. Die positive Entwicklung der Stahlindustrie wird also auch im Jahr 2001 andauern, wenngleich es auf dem erreichten hohen Niveau möglicherweise eine Verschnaufpause geben wird. Nachdem die Anlagen seit gut einem jahr mit 90 %iger Vollauslastung gefahren werden konnten, stehen in den nächsten Wochen vielfach Wartungsarbeiten an. Das wird die Produktion an die Auftragslage anpassen und für eine Stabilisierung des Marktes sorgen.


Viel Lichtvolles gibt es aus der Technik zu berichten, z.B. über dünne Bänder aus Krefeld: Edelstahl Rostfrei gehört zu den Stahlsorten mit den höchsten Wachstumsraten. Weltweit ist jährlich ein Plus von 7 % zu verzeichnen. In Krefeld wird bei Krupp Thyssen Nirosta eine neue Anlage für Edelstahl Rostfrei getestet, die noch dünnere Bänder als bisherige Forschungsanlagen direkt gießen kann. Die Dicke dieser nicht rostenden Bänder beträgt nur noch 1 bis 5 mm, die Breite 1450 mm. Der flüssige Stahl wird vertikal zwischen zwei sich gegenläufig drehende wassergekühlte Rollen gegossen. Mit diesem Gießverfahren wird übrigens erstmals ein vor 140 Jahren bereits angemeldetes Patent in die Praxis umgesetzt. Die Anlage in Krefeld ist für eine Jahreskapazität von 400 000 t ausgelegt. Gegenüber konvetionellen Verfahren werden 85 % der Energie eingespart. Gleichzeitig wird die Co2 - Emision um 160 kg/t gesenkt. Noch eine Entwicklung zum Umweltschutz: Der Stahlfolien-Katalysator reinigt sogar die Umgebungsluft, ein völlig neuer Stahl macht's möglich. Ein Auto mit dem neuen Katalysator aus diesem Stahl stößt - vor allem in Städten - sauberere Luft aus, als vom Motor angesaugt wird. Die neue, mit dem diesjährigen Stahl-Innovationspreis ausgezeichnete Stahlsorte wurde unter Federführung von Krupp VDM entwickelt. Sie wird in einer Foliendicke von nur 0,025 mm in den Katalysatorträger eingesetzt. Damit entsprechen diese Katalysatoren bereits der strengsten aller Abgasgrenzwert-Norm, die ab 2003 für Kalifornien gilt.

  
Nochmals Umwelt, ein umweltfreundlicher Kraftstofftank aus Stahl. In modernen Autos haben Kraftstofftanks äußerst komplizierte Formen, die bis vor kurzem nur aus Kunststoff herzustellen waren. Ökologische Nachteile, wie die Verunreinigung des Kunststoffmaterials mit aufgesogenem Kraftstoff, mussten hingenommen werden.Außerdem war der mit bis zu 1 l Benzin oder Diesel getränkte Tank schwierig zu recyceln. Der Kunststofftank ist zudem nicht vollständig dicht. Er lässt Kraftstoff durch, dessen Dämpfe die Umwelt belasten. Automobilkunden wünschen daher einen Kraftstofftank ohne diese Nachteile, zumal die amerikanische und die europäische Gesetzgebung solches in Kürze sogar vorschreibt. Zusammen mit der Automobilindustrie entwickelte deshalb die Stahlindustrie Kraftstofftanks aus Stahl, die mit Hilfe moderner Hydroform- und Schweiß-Verfahren auch komplizierte Formen annehmen können. Zudem sind sie um 1,7 kg oder um ein Fünftel leichter und können durch eine dünnere Wanddicke mehr fassen als vergleichbare Kunststofftanks.

 

Viel Kraftstoffersparnis bringt's zwar nicht, aber das Fahrverhalten wird besser.Neu entwicklte Stahl-Leichtbauräder sind 10 % leichter als bisherige Aluminium-Gußräder. Wenn "Tailored Strips" eingesetzt werden ist sogar nochmals eine Gewichtseinsparung möglich. Außerdem bieten die Stahlräder Vorteile bei den Kosten, bei Unfällen, bei der Robustheit und bei der Recycelbarkeit.
 
VDI nachrichten Nr. 46 / 2000 
Foto / Grafiken: Die Welt vom 16.11.2000