Stahlglatt mit 3000 Grad

Die "größte Flämmanlage, die es in der Welt überhaupt gibt", liefert Egon Evertz an die Stahlwerke Bremen. Es ist harte Knochenarbeit bei höllischen Temperaturen: In Feuerschutzanzügen gehen Männer an glühenden Eisenblöcken vorbei.

Männer flämmen mit langen, schweren "Lanzen" fehlerhafte Stellen - wie Lunker, Risse und entkohlte Zonen - glatt. Rund 60 Männer, Angehörige der Evertz-Firma Flämmtechnik Nord, sind in den Stahlwerken Bremen (früher Klöckner) mit dieser schweißtreibenden Arbeit beschäftigt.
Ende Juli können einige von ihnen in einen klimatisierten Arbeitsstand umsteigen: Die KG von der Mangenberger Straße baut in Bremen eine Flämmanlage ein (Gesamtinvestition 7,5 Millionen Mark), die mit einer Hand bedient wird. Alle Bewegungen des Steuerknüppels (aus einem Hubschrauber) werden auf einen Ausleger übertragen, an dessen Ende der große Brenner sitzt. Etwa vier Jahre lang experimentierte das Solinger Unternehmen mit kleineren Anlagen, bis es jetzt, so Firmenchef Egon Evertz, die größte baute, "die es in der Welt überhaupt gibt".
 
Der (für das Foto aufgebockte) Brenner hat einen Durchmesser von rund 250 Millimetern.
    
Neue Anlage spart Material
 
Maschinen zum Flämmen sind nichts Ungewöhnliches; Egon Evertz ist jedoch sicher, "eine neue Generation" geschaffen zu haben. Herkömmliche Anlagen behandeln mehrere Flächen eines Eisenblocks ("Bramme") gleichzeitig. Nachteil: Es wird mehr Stahl in Schlacke umgewandelt, als nötig ist. Evertz: "Durch die punktuelle Bearbeitung wird Material gespart." Die Solinger Maschine wird in eine 17,5 mal 80 mal 6,5 Meter große Entstaubungshalle eingebaut, sitzt zwischen zwei je 45 Meter langen Gleissträngen. Über die Gleise werden die bis zu 400 Grad heißen Brammen vollautomatisch herangebracht. Die Eisenblöcke dürfen maximal 14 Meter lang, 2,20 Meter breit, 220 Millimeter dick und 45 Tonnen schwer sein. Die Anlage ist auf 120 000 Tonnen pro Monat ausgelegt; erwartet werden zunächst 35 000 Tonnen. Durch die rund 3000 Grad heiße Flamme werden etwa fünf Prozent des Materials abgeschmolzen. Der neue Maschinentyp hat nach der Meinung von Egon Evertz auch bei anderen Unternehmen Chancen: "Alle Stahlkonzerne flämmen. Ich schätze, daß wir von der Anlage zehn Stück bauen werden." Evertz-Mitarbeiter (insgesamt zählt die Gruppe in Deutschland 750 Leute, in Holland 49) sind unter anderem auch in Dortmund, Duisburg und Salzgitter tätig: "Wir arbeiten praktisch in allen Stahlstandorten." Das Prinzip ist überall das gleiche. Evertz: "Wir sind Dienstleister für andere". Mit einem südafrikanischen Unternehmen schloß Evertz beispielsweise einen Vertrag über den Betrieb einer Schleiferei, der noch zwei Jahre läuft. Daß renommierte Unternehmen in Solingen Know-how und Fachkräfte "einkaufen", schreibt Evertz der Firmenphilosophie zu: "Wir haben immer versucht, ein bis drei Jahre Vorsprung zu haben." 
 
Egon Evertz präsentiert das Herzstück der Anlage, den Steuerstand mit dem zugekauften "Manipulator" (im Hintergrund). Drei verschiedene Programme sind möglich. 
    
Solinger Tageblatt vom 14.6.1997